Das „Nein!“ kam spontan, und es klang fest und entschlossen. Auf die Frage des Moderators, ob sie sich vorstellen könnte, wieder bei den Eltern zu leben, war Annika Hilles Antwort eindeutig: „Nein!“.
„Wenn Kinder mit Behinderungen das Elternhaus verlassen“ war ein Themenschwerpunkt der Veranstaltung „Das Persönliche Budget – Mehr als Geld“ in der Kulturschmiede in Greven, die vom KSL Münster und der Lebenshilfe Greven gemeinsam gestaltet und durchgeführt wurde. Auf dem Podium berichteten Annika Hille, ihre Mutter Inge Hille und Stefan Brockmeyer, der sie im Alltag unterstützt, den Teilnehmenden von dem gelungenen Auszug Annikas. „Für uns war immer klar und selbstverständlich, dass der Moment des Auszugs irgendwann kommen würde,“ blickte Annikas Mutter zurück. „Als der Zeitpunkt aber dann da war, der Abschied kam und Annika ausgezogen war, da war es dann doch schon ein bisschen komisch. Die ersten Wochen waren dann auch sehr schwierig.“ Aber nicht für Annika, sondern für die Eltern, für die es anfangs nicht einfach war, Annika ihren eigenen Weg gehen zu lassen.
Annika Hille lebt mittlerweile seit acht Jahren in einer eigenen Wohnung in Greven. Das Persönliche Budget ermöglicht ihr ein selbstbestimmtes Leben. Zweimal in der Woche kommt Stefan Brockmeyer zu Annika Hille, um ihren Alltag mit Hilfskräften und Assistenzen zu organisieren. Zurück auf den heimatlichen Bauernhof nach Ladbergen, wo sie mit ihren Eltern und dem Bruder aufwuchs, will sie nicht mehr. „Annika hat ihren Alltag so gestrickt, wie sie es braucht“, sagt Inge Hille. „Ohne das Persönliche Budget hätte sie diese Chance nicht gehabt, das muss man klar sagen.“ Annika Hille hat dadurch viel Freiraum zum Beispiel in der Gestaltung ihrer Freizeitaktivitäten. Sie hat Personen um sich, die sie kennt und die ihr vertraut sind. Für Inge Hille ganz besonders wichtig: „Annika kann das Personal selbst aussuchen und gucken, wer zu ihr passt.“ Und wenn es einmal nicht passen sollte, müsse man sich eben auch wieder von einer Assistenz trennen. Diese Freiheit nimmt auch den Eltern die Sorge, dass Annika sich nicht wohlfühlen könnte.
"Mutig sein und machen!"
Ein wichtiger Punkt, denn in der Sorge der Eltern sieht Elisabeth Veldhues häufig eine Bremse, gerade wenn Kinder mit Behinderungen das Elternhaus verlassen und lieber in eine eigene Wohnung, als in eine Einrichtung ziehen möchten. Die ehemalige NRW-Landesbehindertenbeauftragte hat in der eigenen Familie hautnah erfahren, dass mehr Autonomie und Selbstbestimmung zu einer größeren Zufriedenheit und Lebensfreude führen. „Mutig sein und machen“ ist deshalb auch für Elisabeth Veldhues ein wichtiges Signal, das von der Veranstaltung in der Kulturschmiede ausgesendet werden soll: Das Persönliche Budget kann maßgeblich dazu beitragen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Das sieht auch Grevens Bürgermeister Peter Vennemeyer so: „Selbstbestimmt Leben heißt auch, selbstbestimmt Entscheidungen treffen. Egal, ob ein Mensch ein Handicap hat oder nicht!“ Dies könne durch das Persönliche Budget ermöglicht werden. Anke Schwarze, Leiterin des KSL Münster betonte: „Denn jeder weiß selbst am besten, was er oder sie möchte und braucht.“